Von der Kaffeekirsche zum Grünkaffee 

     Bevor Grünkaffee exportiert und bei uns geröstet werden kann, erfolgen wichtige Schritte, die alle darauf hinarbeiten, die Kaffeebohnen von der Kaffeekirsche zu trennen. Diese Weiterverarbeitung hat einen erheblichen Einfluss auf den Geschmack des Kaffees, der schließlich in der Tasse landet. Denn ob es am Schluss zwischen uns und dem Kaffee funkt, entscheidet die Chemie: Die Aromastoffe bilden sich erst im Röster vollständig aus – sie sind es auch, die für den Geruch verantwortlich sind, der während des Röstens entsteht. Dass nicht jede Bohne nach der Röstung gleich schmeckt und die gleichen Aromen enthält, hängt mit ihrer Herkunft, Anbauhöhe und ihrer Aufbereitung zusammen. Dort entscheidet sich, wie hoch die Anteile verschiedener biochemischer Stoffe in den Bohnen sind und welche während des Röstvorgangs miteinander reagieren können.


Ein Einblick in die Grundlagen der Kaffeeaufbereitung

     Die Aufbereitung erfolgt innerhalb von 48 Stunden nach der Ernte, um eine unkontrollierte Gärung zu vermeiden. Die meisten Produzent:innen verarbeiten ihren Kaffee zu Naturals, Washed oder Honey Kaffees: Naturals werden sonnengetrocknet; bei Washed Coffees werden die Bohnen vom Fruchtfleisch getrennt und erst danach getrocknet. Bei den Honeys, auch Pulped Naturals genannt, werden die Samen ebenfalls vom Fruchtfleisch getrennt - allerdings nicht komplett, sodass Reste des Fruchtfleisches ebenfalls in der Sonne trocknen. Entscheidend ist, dass die Ergebnisse qualitativ möglichst gut und reproduzierbar sind. Aber auch die Ressourcen, Zeit und klimatischen Bedingungen beeinflussen die Wahl der Aufbereitung.



Trocken aufbereitete Kaffees enthalten etwa fünf- bis zehnfach höhere Konzentrationen an Fructose und Glucose, den natürlichen Zuckern, als nass aufbereitete Kaffees.



Natürlich oder trocken aufbereiteter Kaffee

     Laut Aufzeichnungen stammen die Naturals aus Äthiopien – einer Region mit geringer Luftfeuchtigkeit und wenig Wasser, sodass sich eine möglichst wassersparende Methode dort etablierte. Um einen Natural Kaffee zu produzieren, legen die Farmer:innen ihre Kirschen nach der Ernte für mehrere Tage bis Wochen auf großen Flächen oder auf sogenannten Trockenbetten aus, die meistens aus Holz oder Metall konstruiert sind. Die Trockenbetten sorgen für eine bessere Luftzirkulation und führen zu einem hochwertigeren Kaffee. Die Arbeiter:innen wenden die Kirschen währenddessen regelmäßig, sodass sie nicht schimmeln oder über-fermentieren. Nachdem die Kirschen trocken sind, enthalten sie noch rund elf Prozent ihrer Feuchtigkeit. Der Wasserverlust löst Stress in der Zelle aus, was wiederum zahlreiche biochemische Prozesse in Gang setzt, die später den Geschmack beeinflussen. Wie lange die Kirschen unter Stress stehen – also wie viel Zeit sie auf den Trockenbetten verbringen – spielt eine wichtige Rolle, weil es die Konzentration von wichtigen Bausteinen für die Aromastoffe beeinflusst, die den Kaffees ihre ganz eigenen Noten verleihen. Denn die Mucilage, die natürliche Schleimschicht der Bohne und das Fruchtfleisch enthalten langkettige Zuckermoleküle, die von den Bakterien gespalten werden.

Nachdem die Kirschen getrocknet sind, entfernen Maschinen die Schale, das Fruchtfleisch, die Schleimschicht und die Pergamenthaut. Danach werden die Bohnen gewaschen und sortiert, bis sie schließlich bereit für den Export sind. Am Ende sollte der Kaffee die, für Naturals charakteristische Süße, mitbringen – die sich sogar messen lässt. Trocken aufbereitete Kaffees enthalten etwa fünf- bis zehnfach höhere Konzentrationen an Fructose und Glucose, den natürlichen Zuckern, als nass aufbereitete Kaffees. Außerdem haben sie meistens einen vollen Körper und sind häufig floral und fruchtig. Dadurch, dass sich diese Aufbereitung nicht bis zum letzten Parameter kontrollieren lässt und beispielsweise sehr abhängig von den Wetterbedingungen ist, können die Ergebnisse nicht immer in gleicher Qualität reproduziert werden.

Gewaschener Kaffee 

     Gewaschener Kaffee Gewaschene Kaffees werden innerhalb der ersten  acht bis zwölf Stunden nach der Ernte von ihrem Fruchtfleisch getrennt. Eine dünne Membran, die um die Kaffeebohne herum liegt – die Silberhaut und die Schleimschicht - bleiben erhalten, sodass sie während der Fermentation reagieren können. Diese findet häufig in Wassertanks statt. Innerhalb der Wassertanks bauen natürliche Hefen und Bakterien die bitteren Gerbstoffe der Kaffeebohnen ab und verstoffwechseln damit den Zucker zu Aromen. Arabica-Varietäten bleiben nicht länger als 36 Stunden im Wasser. Die genaue Stundenanzahl kann je nach Ernte und Varietät unterschiedlich sein. Während der Fermentation zerfällt auch die Schleimschicht, die die Pergamenthaut noch umschließt.


Nachdem die Bohnen von allen Schichten befreit sind, werden sie erneut gewaschen und für einige Tage auf Trockenbetten ausgelegt. Sie trocknen allerdings schneller als die ganzen Kirschen, da die Feuchtigkeit lediglich aus der Bohne und nicht aus der gesamten Frucht entzogen werden muss. Gewaschene Kaffees schmecken eher klar und können durch ihr leichtes Mundgefühl an Tee erinnern. Das Tassenprofil ist häufig gut reproduzierbar. Faktoren wie Varietät, Herkunft und die Röstung beeinflussen den individuellen Geschmack des Kaffees zusätzlich. Zwar sind die Ergebnisse der gewaschenen Kaffees gut reproduzierbar, aber die Methode erfordert sehr viel Wasser und es fallen große Mengen an Abwasser an, die mit organischen Rückständen belastet sind und unter Umständen ein Problem für die Flüsse sein können.

Honey's oder Pulped Natural

Ein Kompromiss aus den trocken aufbereiteten und den gewaschenen Kaffees sind die Honey‘s. Mit dem Blütenhonig haben sie allerdings nichts zu tun. Lediglich ihr honig-süßer Geschmack und ihre leicht dickflüssigen Körper können an Honig erinnern. Der Name ist aber eigentlich inspiriert von der klebrigen Konsistenz, die die Bohnen während der Verarbeitung annehmen. Bei dieser Form der Verarbeitung wird das Fruchtfleisch entfernt, aber danach nicht oder lediglich kurz gewaschen, sodass sich das Silberhäutchen nicht auflöst. Oft bleiben Reste des Fruchtfleisches an der Membran der Bohne haften - etwas, das sie mit den natürlich aufbereiteten Kaffees gemeinsam haben. Erst nachdem die Bohnen getrocknet sind, werden sie von den Resten des Fruchtfleisches befreit. So können die Enzyme, also Stoffwechselmoleküle, der Membran noch länger Nährstoffe entziehen und in Aromaten umwandeln. Je nachdem wie viel von der Schleimschicht und des Fruchtfleisches auf der Bohne verbleibt, variiert das Geschmacksprofil. Damit steht den Produzent:innen eine Methode zur Verfügung, mit der sich das Gesamtprofil des Kaffees noch stärker beeinflussen lässt, als bei den gewaschenen Kaffees.


Sie können die Süße beeinflussen, indem sie bestimmen, wie viel Fruchtfleisch noch an der Bohne verbleibt. Die verschiedenen Varianten der Honey’s werden mit den Farben beschrieben, die die Bohnen während des Trocknens annehmen: Es gibt den weißen, gelben, roten und schwarzen Honey. Manchmal findet sich auch die Bezeichnung gold Honey auf den Kaffees. Genau wie Eisen, das in Kombination mit Sauerstoff und Wasser rostet und eine rötliche oder braune Farbe annimmt, entstehen auch die Farben des Kaffees durch eine Oxidation. Je nach Menge der Mucilage variiert auch die Farbe und der Geschmack. An dem weißen und dem gelben bleibt – anders als bei den anderen drei Varianten - wenig Fruchtfleisch erhalten. Die Nuancen dabei können sich von Farm zu Farm ein wenig unterscheiden. Die helleren Honey’s sind weniger vollmundig und bringen häufig ein leicht säuerliches Profil mit. Hinter den dunkleren und metallischen Farben verstecken sich fruchtige und ausgefallenere Kaffees. Der rote Honey liegt in der Mitte des Spektrums. Außerdem ist die Trocknungszeit bei Honeys kürzer als die von Naturals. Während der Kaffee trocknet, ist Sonnenschein und möglichst stabile Temperaturen erwünscht. Eine kürzere Gesamttrocknungszeit mindert also das Risiko, dass die Trocknungszeit in extreme Wetterlagen fällt.

Costa Rica gilt als das Land, das den Honey-Prozess populär gemacht hat. Häufig bewegen äußere Einflüsse die Farmer:innen dazu, neue Methoden auszuprobieren. Etwa das Klima oder in diesem Fall ein Erdbeben. 2008 führte die Naturgewalt in Costa Rica zu Wasserknappheit, sodass die Kaffeeproduzent:innen sich eine Alternative zu ihren gewaschenen Kaffees suchen mussten. Mit Sparmaßnahmen reduzierten die Menschen ihren Wasserverbrauch drastisch und stiegen auf die Honey-Methode um. So haben Umwelteinflüsse oder auch der Kaffeemarkt dazu geführt, dass immer wieder neue Methoden zur Verarbeitung aufkommen. Einige davon liefern spannende Ergebnisse in der Tasse und laden zum Experimentieren ein.
Von der Kaffeekirsche zum Grünkaffee
Kaffeewissen

Von der Kaffeekirsche zum Grünkaffee

Bevor Grünkaffee exportiert und bei uns geröstet werden kann, erfolgen wichtige Schritte, die alle darauf hinarbeiten, die Kaffeebohnen von der Kaffeekirsche zu trennen. Diese Weiterverarbeitung hat einen erheblichen Einfluss auf den Geschmack des Kaffees, der schließlich in der Tasse landet. Denn ob es am Schluss zwischen uns und dem Kaffee funkt, entscheidet die Chemie: Die Aromastoffe bilden sich erst im Röster vollständig aus – sie sind es auch, die für den Geruch verantwortlich sind, der während des Röstens entsteht. Dass nicht jede Bohne nach der Röstung gleich schmeckt und die gleichen Aromen enthält, hängt mit ihrer Herkunft, Anbauhöhe und ihrer Aufbereitung zusammen. Dort entscheidet sich, wie hoch die Anteile verschiedener biochemischer Stoffe in den Bohnen sind und welche während des Röstvorgangs miteinander reagieren können.
San Antonio: Ein Familiengeschäft
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San Antonio: Ein Familiengeschäft

Im Hochland von El Salvador, in Ahuachapán, liegt die Finca San Antonio. Seit rund 100 Jahren wird dort von der Familie Padilla Kaffee angebaut. 2014 hat Carolina die Finca von ihrem Vater übernommen. Sie hat mit unserem Röster und Barista Max, während seines Aufenthalts 2019, über die Geschichte der Finca gesprochen. Außerdem hat sie ihm von den Chancen und Risiken, die neue Prozessierungen bieten erzählt und davon wie es ist, als Frau in der Branche zu arbeiten.

Arabica bis Honey
Kaffeewissen

Arabica bis Honey

In der Welt des Spezialitätenkaffee stößt man immer wieder auf neue Herausforderungen, unbekannte Begriffe und neues Wissen. Genau das ist es, was uns so antreibt auf der Reise durch die Thirdwave-Welt. Nicht nur die geschmackliche Vielseitigkeit der Kaffeebohne, sondern vor allem die Vielseitigkeit der Kulturen, Geschichten, Menschen und Momente die dahinter stehen überraschen uns tagtäglich. Spezialitätenkaffee wird erst mit viel Wissen, Handwerk und den richtigen Menschen mit denen man es teilt, zu dem was es ist - eine große Passion. Daher wollen wir unsere Reise mit euch teilen und arbeiten uns anhand des ABC durch das Kaffee Lexikon.