Von Kosten und Commitment der Kaffeeproduktion: Carolina im Interview

     Im Hochland von El Salvador, in Ahuachapán, liegt die Finca San Antonio. Seit rund 100 Jahren wird dort von der Familie Padilla Kaffee angebaut. 2014 hat Carolina die Finca von ihrem Vater übernommen. Sie hat mit unserem Röster und Barista Max, während seines Aufenthalts 2019 vor Ort, über die Geschichte der Finca gesprochen. Außerdem hat sie ihm von den Chancen und Risiken, die neue Prozessierungen bieten erzählt und davon wie es ist, als Frau in der Branche zu arbeiten.

Carolina, seit wann gibt es die Finca San Antonio?


     Meine Großeltern haben in den 1920er Jahren angefangen, hier Kaffee zu kultivieren. Danach haben sie es an meinen Vater übergeben, der 2011 gestorben ist. Seitdem habe ich die Arbeit als Produzentin übernommen.

Wie sind deine Großeltern dazu gekommen, Kaffee anzubauen?


     Nachdem meine Großeltern geheiratet haben, musste mein Großvater weggehen, um bei dem Bau des Panamakanals zu helfen. Er schickte meiner Großmutter das Geld, was er dort verdiente. Sie sparte den Großteil. Als er wiederkam, überlegten sie gemeinsam, wie sie es investieren könnten. Dann haben sie sich für die Kaffeebranche entschieden.






San Antonio ist ein Familiengeschäft. Aber mittlerweile leben dort zwei Familien, ist das richtig?


     Ja, wir haben für gewöhnlich eine Familie, die direkt auf der Farm lebt. Normalerweise bleiben die Menschen, die mit uns arbeiten, über mehrere Generationen bei uns. Ich erinnere mich an einige, die mit meinem Vater zusammen gearbeitet haben und dann mit meinem Großvater gestorben sind. Ein Freund der Familie lebt zum Beispiel jetzt gerade auf der Farm. Sein Vater hat auch schon mit meinem Großvater zusammen gearbeitet.






Konntest du spüren, dass die Nachfrage nach qualitativ hochwertigem Kaffee in den letzten Jahren gestiegen ist?


     Definitiv. Ich denke, dass diese Verschiebung hin zur Qualität eine gute Entwicklung ist. El Salvador ist bekannt für Kaffee. Früher war ein Sack Bohnen 500 Dollar wert - aber, ohne dass Qualität irgendeine Rolle spielte. Jeder Kaffee war gleich viel wert. Also war es einfach nur wichtig viel zu produzieren. Mittlerweile hat man Kund:innen und Partnerschaften, in denen die Menschen die Arbeit und die Herausforderungen hinter dem Kaffeeanbau verstehen. Sie wollen lieber qualitativ hochwertigen Kaffee. Für mich sind diese Kund:innen und verlässliche Beziehungen sehr wichtig. Denn wenn niemand meinen Kaffee kauft, ist die Arbeit umsonst.


Wie sehr hat sich deine Produktion denn verändert?


     Ich habe die Menge stark reduziert: Von 450 auf 50 Säcke pro Ernte. Ich musste verstehen, was die Kund:innen wollen und mir dafür auch mehr Wissen über die Produktion von Kaffee aneignen.

Wie hast du das gemacht?


     Ich habe viele Bekannte in der Kaffeeindustrie. Ich habe angefangen zu schauen, wie andere Produzent:innen arbeiten. Ich musste aber auch im Rahmen meiner finanziellen Möglichkeiten bleiben. Ich musste überlegen, wie viele Experimente ich mir mit verschiedenen Varietäten leisten konnte. Außerdem musste ich darauf achten, welche Kaffeepflanzen unter den Bedingungen, die wir hier haben, überhaupt wachsen würden. Ich bin dann nach Nicaragua, zur Familie Mierisch gegangen, um mehr über das Processing zu lernen.


In Nicaragua waren die Menschen sehr offen und haben mir erklärt, wie ich mit verschiedenen Varietäten umgehen muss. Nach ein paar Wochen bin ich wiedergekommen und habe mich an die Arbeit gemacht.




Waren andere Produzent:innen denn bereit, ihr Wissen mit dir zu teilen oder besteht da Konkurrenz?


     Unterschiedlich. Nicht alle wollten ihr Wissen weitergeben. Aber ich habe einige wirklich großartige Menschen gefunden, die mir gerne geholfen haben. Ich bin ja auch eigentlich keine große Gefahr und möchte nur meiner Community helfen. In Nicaragua waren die Menschen sehr offen und haben mir erklärt, wie ich mit verschiedenen Varietäten umgehen muss. Nach ein paar Wochen bin ich wiedergekommen und habe mich an die Arbeit gemacht.

Wie liefen denn die ersten Versuche und welche neue Methode oder Varietät hast du ausprobiert?


     Ich habe im ersten Jahr acht Säcke Honey produziert und es an Kund:innen aus Australien geschickt. Sie mochten es und im Jahr darauf habe ich zwölf Säcke verkauft - einige davon auch nach Deutschland.

Du hast davor also immer Natural Kaffee produziert?


     Naturals, aber auch Washed Kaffees. Ich wollte dann nicht gleich die ganze Produktion auf Honey umstellen. Ich habe also erstmal nur zehn Prozent meiner Bohnen anders als gewöhnlich aufbereitet. Dann war ich nervös, weil ich nicht wusste, ob ich das Ergebnis wiederholen kann. Es ist schließlich alles Handarbeit. Deshalb muss ich mir über jeden Schritt bewusst sein und auch meine Mitarbeiter:innen müssen die Arbeitsschritte genau kennen.

Wie stellst du sicher, dass deine Mitarbeiter:innen ihre Schritte alle kennen und welche sind dabei wichtig?


     Ich bin so oft es geht vor Ort. Ich bleibe unter der Woche auf der Farm und behalte den Überblick. Es gibt zwei Schlüssel zur Qualität: Das Sortieren der Bohnen und ein gutes Team. Ich habe extra Kosten, weil drei verschiedene Gruppen die Kaffeekirschen ernten. Die erste Gruppe geht vor und pflückt die besten Kirschen. Die zweite Gruppe pflückt den Rest und die dritte Gruppe kontrolliert die beiden anderen. Wenn ich kann, bin ich dabei, wenn die geernteten Kirschen sortiert werden. Da die Menschen häufig nach Gewicht der Ernte bezahlt werden, war es gerade am Anfang schwierig, ihnen zu vermitteln, dass nicht alle Kirschen geerntet werden können.






Du hast über die Jahre als Produzentin viel Neues gelernt und auch ausprobiert - produzierst du außer Washed, Naturals und Honeys auch noch anderen Kaffee?


     Nein, weil ich mit jedem Jahr selbstbewusster in meiner Arbeit werde. Es gibt jedes Jahr neue Trends. Vor einigen Jahren war es der Honey. Jetzt, wo ich das beherrsche, bleibe ich dabei. Ich finde zwar gut, dass die Leute viel ausprobieren, aber ich kann es mir nicht leisten jedem Trend hinterherzurennen. Ich muss kalkulieren können, was meine Kund:innen haben wollen und wie viele Säcke ich von welchem Kaffee brauche. Da kann ich nicht immer mit einem Teil des Ertrags herumexperimentieren.


Wenn ich genug Erträge habe, um mit einem Teil davon neue Dinge zu probieren, bin ich offen dafür. Andererseits geht ein Trend auch wieder hin zu Naturals. Das freut mich natürlich.


Seit ein paar Jahren ist das "Anaerobic Processing" ein großer Trend. Es ähnelt dem Honey-Processing. Die Kaffeekirschen kommen dabei in einen Tank. Angeblich lässt sich der Prozess besser kontrollieren als beispielsweise eine Natural-Prozessierung. Die Kirschen sind dem Sonnenlicht und dem Wetter nämlich nicht so sehr ausgesetzt. Was hältst du davon?


     Ich schaue bei Trends immer erst, wie sie sich entwickeln. Wenn ich genug Erträge habe, um mit einem Teil davon neue Dinge zu probieren, bin ich offen dafür. Andererseits geht ein Trend auch wieder hin zu Naturals. Das freut mich natürlich.

Neben der Menge an Erträgen und dem Konkurrenzdruck - was stellt sich in deinem Job noch als Schwierigkeit dar?


     Die Maschinen kosten viel Geld und ich muss mit dem Platz arbeiten, den ich zur Verfügung habe. Ich habe mittlerweile einen manuellen Entpulper, aber ich musste auch erst lernen, wie ich damit umgehe. Ursprünglich wollte ich einen Entpulper mit Motor haben, aber die kleinen fangen bei 5000 Dollar an. So viel Geld verdiene ich unter Umständen nicht Mal in einem ganzen Jahr! Also habe ich angefangen, nach gebrauchten Maschinen zu suchen. Ich habe in viele Chat-Gruppen geschrieben und mit vielen Menschen aus verschiedenen Ländern telefoniert. Die günstigste Maschine, die ich finden konnte, lag bei 3700 Dollar. Das war aber immer noch zu teuer. Dann habe ich zum Glück jemanden gefunden, der mir seine Maschine für einen Monat zum Testen gegeben hat. Er hat sie mir schließlich für 600 Dollar verkauft.

Du hast gerade gesagt, dass der Platz auch ein Problem ist. Inwiefern?


     Freunde von mir haben riesige Trockenbetten und viel Platz um ihren Kaffee zu trocknen. Ich arbeite in dem Haus meiner Großmutter. Das ist der Platz, den ich habe und mit dem ich arbeiten muss. Das bedeutet auch, mit dem Sonnenlicht zu arbeiten, was dort einfällt.







Viele Menschen steigen auch aus der Branche aus. Warum bleibst du?


     Wegen meiner Leute. Alles, womit sie sich auskennen, ist Kaffee. Sie kennen nichts anderes. Mein Vater hat ihnen alles beigebracht. Er hat sie auch in anderen Dingen unterrichtet, aber es ist hart, etwas Neues zu lernen, wenn man schon Ewigkeiten eine Sache macht. Einige haben, nachdem die Regression des Kaffeepreises sie getroffen hat, nach anderen Jobs gesucht. Aber das war für mich keine Option. Auch wenn wir mal ein schlechtes Jahr hatten und ich am liebsten alles hingeschmissen hätte: Am Ende zählt für mich, dass meine Leute Arbeit haben. Ich will für sie da sein. Genau wie mein Vater es war. Aber es stimmt: Es sind nicht mehr viele Kaffeebäuer:innen hier in der Region. Ich bin fast die Einzige.


Was hilft dir in schwierigen Jahren?


     Solange meine Kund:innen weiter bei mir einkaufen, uns unterstützen und verstehen, geht es weiter. Wir sind zwar keine riesige Finca, aber San Antonio hat eine tolle Familie und wir können wirklich guten Kaffee produzieren. Ich glaube an Tradition und halte daran fest. Man kann so viele Variationen anpflanzen, wie man möchte - am Ende kommt es darauf an, was man daraus macht. Ich glaube, wir sind für unsere Bourbons bekannt und die Süße unserer Bohnen. Das möchte ich aufrechterhalten.








San Antonio ist eine Familienangelegenheit und du bist selbst Mutter - wie ist es, als Frau in dem Beruf zu arbeiten?


     Es ist hart. Ich muss kämpfen. Manchmal werde ich auf mein Äußeres reduziert, aber das hat ja gar nichts mit meiner Arbeit zu tun! Ich will die gleichen Möglichkeiten haben wie meine männlichen Kollegen. Aber die Sache ist die, dass man sich irgendwann lächerlich vorkommt. Wenn wir Meeting s haben, sind die Frauen für gewöhnlich in der Unterzahl. Bei den Treffen trinken die Männer - ältere Männer - häufig. Ich bin dann die Einzige, die nicht trinkt. Es ist einfach ein von Männern dominierter Job. Ich werde oft so wahrgenommen, als wüsste ich nichts oder würde es zu nichts bringen. Ich versuche dann dagegenzuhalten und mache weiter, gebe mein Bestes und hoffe, dass meine Arbeit für sich spricht.

Processing: Wie die Kaffeekirschen verarbeitet werden


     Mit Processing ist die Kaffeeaufbereitung gemeint. Die Verarbeitung der Kaffeekirschen hat einen erheblichen Einfluss auf den Geschmack und die Qualität des Kaffees. Dabei gibt es verschiedene Aufbereitungsarten. Für Carolina sind drei Arten des Processing besonders relevant, da sie diese für ihre Bohnen verwendet: Naturals, Washed und Honey’s. Neben diesen drei gibt es noch viele weitere. Einige davon sind Trend-Erscheinungen, andere setzten sich durch. Welches Processing für die Produzent:innen sinnvoll ist, hängt häufig mit ihren finanziellen Möglichkeiten und Standorten zusammen. Aber was ist jetzt eigentlich damit gemeint? Wenn die Kaffeekirschen geerntet sind, können sie noch nicht geröstet werden. Sie müssen von ihrem Fruchtfleisch befreit werden. Man sagt dazu auch: Entpulpen. Darüber hinaus gibt es noch die Mucilage. Das ist eine dünne Schicht, die auch nach dem Entpulpen noch am Samen der Kaffeekirsche haftet. Auch sie kann in speziellen Maschinen entfernt werden. Gerade kleinere Produzent:innen haben diese Maschinen aber häufig nicht. Es macht außerdem einen Unterschied, ob diese Schritte vor oder nach dem Trocknen passieren.

Natural


     Naturals sind Kaffees, die mitsamt des Fruchtfleisches sonnengetrocknet wurden. Das passiert in den meisten Fällen auf sogenannten Trockenbetten und dauert Tage oder Wochen. Es gibt allerdings auch mechanische Wege mit denen die Kirschen innerhalb von 48 Stunden trocknen. Auf den Drying Beds müssen die Kirschen regelmäßig gewendet werden, sodass sie nicht schimmeln und überall von der Sonne geküsst werden können. Dabei wandern die Aromastoffe sozusagen aus dem Fruchtfleisch in die Bohne. Charakteristisch für Naturals ist, ihre Süße und ihr voller Körper. Außerdem sind sie häufig floral und fruchtig.

Washed


     “Gewaschene” Kaffeebohnen trocknen ohne ihr Fruchtfleisch. Sie werden innerhalb der ersten acht bis zwölf Stunden nach der Ernte entpulped. Auch die Mucilage wird entfernt. Dann werden sie in sogenannten Wet Mills gewaschen und in Tanks selektiert, sodass nur noch die guten Bohnen übrig bleiben. Anschließend kommen die Bohnen auch für einige Tage auf Trockenbetten. Wenn sie noch um die 11% Restfeuchte enthalten, können sie in die Kaffeesäcke gefüllt werden. Gewaschene Kaffees schmecken häufig cleaner und liegen nicht schwer auf der Zunge. Die floralen Aromen kommen auch weniger durch und sie sind weniger süß im Vergleich zu Naturals. Allerdings nehmen auf den individuellen Geschmack des Kaffees in der Tasse auch Faktoren wie Varietät, Herkunft und die Röstung Einfluss.

Honey


     Honey’s sind eine Mischform aus Naturals und Washed Kaffees. Sie werden zwar entpulped bevor sie getrocknet werden, aber die Mucilage wird nicht entfernt. Außerdem bleiben häufig Reste des Fruchtfleisches haften. Je nachdem ob die Produzent:innen einen White/Yellow, Red oder Black Honey aufbereiten möchten, lassen sie wenig, mittel oder viel Fruchtfleisch am Samen. Das hat auch einen entsprechenden Einfluss auf die Süße der Kaffees. Sie kombinieren im besten Fall die klare Charakteristik von Washed Kaffees und die fruchtige Süße der Naturals.

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