Eine Reise zum Ursprung: Kenias Kaffee kennenlernen
Jede einzelne Kaffeebohne legt einen langen Weg zurück, bevor sie bei uns ankommt. Unser Röster Tillmann ist im Oktober für drei Wochen nach Kenia gereist. Eines der Ursprungsländer, aus denen wir bei Neues Schwarz unsere Kaffeebohnen beziehen.
Tillmann arbeitet seit vielen Jahren in der Kaffeebranche. Er kennt das Wirtschafts- und Handelsnetzwerk des Rohkaffees. Er war in Zusammenarbeit mit dem Rohkaffeeimporteur InterAmerican Coffee in Kenia und hat dort die ersten Schritte der Verarbeitung gesehen: „Es ist anders vor Ort zu sein.“ Mittlerweile sind ein paar Wochen vergangen und Tillmann ist wieder in Dortmund. Er sitzt in der Rösterei, vor ihm steht ein Espresso – allerdings ein Peruanischer. Welche Prozesse durchlaufen werden, bis aus der Kaffeekirsche ein fertiger Espresso werden kann, erzählt er im Gespräch.
Ankommen in Afrika
Das Leben in Kenia findet draußen statt. Die Straßen sind voll. Man trifft immer irgendwen,
isst zusammen, arbeitet oder spielt Fußball. Tillmann muss grinsen, während er sich
erinnert. „Wenn ich Leute angelächelt habe, haben sie immer zurück gelacht.“ An die
freundliche und offene Art der Menschen erinnert er sich besonders gerne. „Und wie schön
das Land ist.“ Er bekommt auch einen Eindruck von Kenias Artenvielfalt: „Ich war mit
Freunden wandern und wir haben Elefantenspuren gesehen. Im Nationalpark in Nairobi und
im Nationalpark Amboseli an der Grenze zu Tansania haben wir Löwen, Gazellen,
Vogelsträuße, Nashörner und Geparden gesehen.“
Kaffee, Kooperativen und Kleinbauern – das Netzwerk verstehen
Neben den Nationalparks hat Tillmann verschiedene Washing Stations und Kleinbauern
besucht. Er ist den Spuren des Rohkaffees bis in die Lagerhallen gefolgt, von denen aus er
exportiert wird. Tillman klickt auf der Kamera herum. „Hier“, sagt er, dreht die Kamera um
und zeigt Fotos von meterhohen Stapeln aus Kaffeesäcken. Jetzt legt er ein Notizbuch auf
den Tisch und nimmt einen Stift in die Hand. Er will das Handelsnetzwerk aufzeichnen, um
zu zeigen, wie die Kaffeebohnen in der Lagerhalle landen. „Man muss sich von der
Vorstellung lösen, dass wir einzeln bei den Bauern fünf Sack Kaffee bestellen und die dann
zu uns nach Dortmund kommen.“ Kaffeegroßhändler fungieren als Importeure. Durch die
Händler entsteht der Kontakt zu Kooperativen. Davon gibt es in Kenia mehrere, zu denen
wiederum eigene Washing Stations gehören. Dahin liefern die Kleinbauern ihre
Kaffeekirschen. „Das passiert auf verschiedensten Wegen – auch mit dem Fahrrad.“ Der
Kaffee bleibt bis zum Export im Besitz der Farmer*innen. Nach dem Verkauf zahlt das
Handelsunternehmen die Farmer*innen über die Washing Stations aus.
Die Familien lernen den Kaffeeanbau autodidaktisch. Lokale
Agrarökonom*innen, die bei InterAmerican Coffee angestellt sind, helfen den Familien, den
bestmöglichen Ertrag aus ihren Pflanzen zu erzielen.
Was an den Washing Stations passiert
Während der Ernte liefern 2000 bis 3000 Farmer*innen ihren Kaffee an eine
Aufbereitungsstation. Pro Tag sind es einige hundert. „Während der Pre-Season zwei Mal
pro Woche, während der Hauptsaison jeden Tag“, sagt Tillmann. Ernte und
Weiterverarbeitung finden immer am selben Tag statt. Die Bohnen werden währenddessen
sortiert und durchlaufen Qualitätschecks. Das passiert an den Washing Stations. Die
Bohnen kommen in einen mechanischen Entpulper, der das Fruchtfleisch von der Bohne
trennt. Anschließend fermentiert der Kaffee in Wasserbecken, in denen er zwischen acht
und zwölf Stunden bleibt. Im nächsten Schritt trocknet er, je nach Wetterlage, einige Tage
oder Wochen auf Drying Beds. Die Bohnen sind dann noch in eine Schutzhaut, das
sogenannte Parchment, eingehüllt. Die dünne Schicht wird später an anderer Stelle in einer Dry
Mill entfernt. Die dafür erforderlichen großen Maschinen gehören häufig den Kooperativen
oder Großhändlern.
Die Rolle der Kooperativen
Die Farmer*innen und Mitarbeitenden der Washing Stations können sich andersherum an die Kooperative wenden, wenn ihnen Mittel fehlen. Mittlerweile stellen Kooperativen beispielsweise öfter Metallgestelle für die Restauration von Drying Beds anstelle von Holz zur Verfügung, da diese länger halten. Kooperativen sorgen außerdem für eine faire Bezahlung der Farmer*innen und bezahlen häufig das Schulgeld ihrer Kinder. In Kenia ist Kaffeeanbau nämlich häufig Familiensache. Es gibt wenig großflächigen Kaffeeanbau. Familien bauen auf einem kleinen Stück Land Kaffee und andere Pflanzen an. „Durch den Verkauf von anderen Agrarprodukten kann eine schlechte Kaffeeernte aufgefangen werden“, erklärt Tillmann.
Die Familien lernen den Kaffeeanbau autodidaktisch. Lokale
Agrarökonom*innen, die bei InterAmerican Coffee angestellt sind, helfen den Familien, den
bestmöglichen Ertrag aus ihren Pflanzen zu erzielen. Die Schulungen sind kostenlos und die
Familien sind nicht verpflichtet, ihren Kaffee bei einer Kooperative des Großhändlers
abzugeben. Für sie bedeutet hohe Qualität eine bessere Bezahlung. Von dem Geld, das die
Kooperativen mit dem Verkauf erzielen, zahlen sie 95% an die Farmer zurück.
Qualitätschecks und Transparenz
Die Qualität der Bohnen wird mithilfe eines Kategoriensystems bestimmt. Tillmann greift
nochmal zu Zettel und Stift und schreibt auf: „Du hast P1, P2, P3 und light. Die Bohnen mit
hoher Dichte sinken im Fermentationsbecken schneller zu Boden. Das wäre dann P1. Das
ist sehr gut. Der Muchagara ist zum Beispiel immer P1 – also die beste Qualität. Die
anderen Bohnen haben häufig Defekte. Das wirkt sich auf das Aroma und den Geschmack
aus“, sagt Tillmann. Die Importeure, die über die Washing Stations Kaffee einkaufen, können
mithilfe der sogenannten Lotnummer und dem Datum der Anlieferung nachvollziehen,
welche Farmer an welchem Tag ihre Ernte an eine Washing Station geliefert haben. Die
Röstereien haben ebenfalls die Möglichkeit, das genau nachzuverfolgen. Ein weiteres
Qualitätsmerkmal ist das Anbaugebiet rund um eine Station – bringen die Pflanzen dort gute
Erträge, kann auch die Washing Station guten Kaffee bieten. Nachdem die Bohnen
vollständig getrocknet sind, werden sie von den Washing Stations zu den Standorten der
Kooperativen gebracht, sodass das Parchment durch die Dry Mill entfernt werden kann.
Anschließend verkosten die Mitarbeitenden von InterAmerican Coffee alle Lieferungen eines
Tages und bewerten diese nach ihrer Qualität. In diesem Schritt trennen sich die Wege des
kommerziellen und spezialitäten Kaffees. Nur rund fünf Prozent der Ernte entsprechen den
Standards für den Spezialitätenbereich.
Typisch Kenia: die Kaffeevarietäten des Landes
In den sechziger Jahren haben die Menschen in Kenia vorrangig die Varietäten SL28 und
SL34 angebaut. Beide Varianten wurzeln tief und erreichen dadurch viele wichtige
Nährstoffe, die ihnen besondere Geschmacksnoten verleihen. Außerdem zeichnen sie sich
durch einen hohen Ernteertrag und eine herausragende Qualität aus. Allerdings sind die
Pflanzen anfälliger für die Coffee Berry Disease und den Kaffeerost. Um diesen Krankheiten
vorzubeugen, wird in einigen Anbaugebieten Kenias auf Pflanzenveredelung gesetzt. Dabei
werden die tiefen Wurzeln einer SL28 Pflanze und des resistenten Sprosses der Varietät
Ruiru11 zusammengesetzt. Die Farmen rund um die Muchagara Washing Station bauen
hauptsächlich SL28 und SL34 an. So kommt auch die Zuschreibung der Varietät auf den
Muchagara Bohnen von Neues Schwarz zustande. Bei der Weiterverarbeitung setzten die
Kenianer*innen fast ausschließlich auf gewaschene Kaffees. Hiermit haben sie viel
Erfahrung und können sichergehen, dass die Qualität gut ist. „Experimentiert wird kaum.“
Tee trinken und auf den Regen warten
Der Krankheitsbefall von Pflanzen ist nicht die einzige Herausforderung: „Die Klimakrise war
auf der ganzen Reise ein großes Thema“, sagt Tillmann. Er erzählt von abgemagerten
Kühen, die er am Anfang seiner Reise sieht. Die Pflanzen in Kenia wachsen langsam oder
gar nicht, weil der Regen ausbleibt. Damit fehlt den Tieren ein großer Teil ihrer
Nahrungsgrundlage. Das fehlende Wasser bringt auch die Kaffeeernte in Gefahr. Die
Farmer*innen können die Pflanzen nur bewässern, wenn ein Fluss in der Nähe ist. Das ist
sehr aufwendig und in vielen Fällen nicht möglich. Deutlich einfacher im Anbau ist Tee, der
in Kenia ebenfalls einen großen Teil der Landwirtschaft ausmacht. Vor allem aber ist Tee ein
wichtigerer Teil der Kultur Kenias als Kaffee. Auf seiner Reise merkt Tillmann, dass die
Kenianer*innen selbst kaum Kaffee trinken: “Tee wird einem überall angeboten, aber Kaffee
so gut wie gar nicht.”
Abschied von Afrika nehmen
„Ich wäre gerne noch länger geblieben“, sagt Tillmann schließlich. Er schaut in seine
mittlerweile leere Espressotasse und denkt noch einmal an die Zeit vor Ort. Den langen
Weg, den die Kaffeebohnen vom Ursprung bis zur Tasse zurücklegen, mitzugehen, hat seine
Wertschätzung für den Kaffee deutlich gesteigert. Zu sehen, wie viel Handarbeit hinter dem
Produkt steckt, hat ihn erstaunt und dazu beigetragen, dass er den Kaffee jetzt noch
bewusster genießt als vor seiner Reise. Neben dem erweiterten Kaffeewissen, bleiben ihm
viele Erinnerungen an Menschen, die er kennengelernt hat und die Orte, die er besucht hat.
Die Eindrücke haben ihn auf den Boden der Tatsachen geholt. „Man wird genügsamer und
ist mit dem zufrieden, was man hat.“
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