Frauenkampftag das ganze Jahr




     Jedes Jahr wird am 8. März der Weltfrauentag gefeiert. Für manche ist es ein ganz normaler Tag, andere wünschten, es wäre auch außerhalb Berlins ein Feiertag, aber für die meisten Frauen ist es auch 2023 noch ein Tag des Kampfes, der daran erinnern soll, dass es nach wie vor keine Chancengleichheit aller Geschlechter gibt!






Starke Frauen


     Werfen wir einen Blick in die Geschichte des Kaffees, stellen wir unweigerlich fest dass einige sehr bekannte Frauen die Geschichte des (Specialty-)Kaffees maßgeblich geprägt haben: Melitta Bentz erfand 1908 den Kaffeefilter - ein Gegenstand der viele von uns täglich im Alltag begleitet- Erna Knutsen prägte nicht nur den Begriff Specialty Coffee sondern ist maßgeblich an der Gründung der SCA (Specialty Coffee Association) beteiligt, Susie Spinder rief 1999 den Cup of Excellence ins Leben, der bis heute eine der wichtigsten Institutionen ist wenn es um die Qualitätsbestimmung von Kaffees weltweit geht, Linda Mugaruka ist die erste professionelle Cupperin aus dem Kongo und hilft somit ihrem Land mehr und mehr Fuß in der Specialty-Coffee-Szene zu fassen und Agnieszka Rojewska hat als erste Frau 2018 die Barista- Weltmeisterschaft für sich entschieden, um nur einige zu nennen. Sie alle erzählen inspirierende Geschichten und haben jede auf ihre Weise die Welt des Kaffees geprägt. Dabei darf jedoch eins nicht in Vergessenheit geraten: Bis der Kaffee bei uns in der Tasse landet, muss er zunächst angebaut werden. Und das ist harte Arbeit. Die eben mehrheitlich von Frauen geleistet wird.


70% der Feldarbeit, der Ernte und des Sortierens von Kaffee weltweit übernehmen Frauen.



     Hier ein paar Zahlen zur besseren Einordnung: 70% der Feldarbeit, der Ernte und des Sortierens von Kaffee weltweit übernehmen Frauen (die Zahlen können je nach Land und Region variieren) und dennoch hat die SCAA (Specialty Coffee Association of America) 2014 eine Gender-Pay-Gap von 39% festgestellt. Frauen verdienen also im Durchschnitt 39% weniger als ihr männliches Äquivalent. Darüber hinaus besitzen Frauen nur 25% aller Kaffeefarmen weltweit. Kurz: Frauen sind in der Welt des Kaffees (und hier soll vorrangig der Kaffeeanbau beleuchtet werden) von fundamentaler Bedeutung und dennoch deutlich benachteiligt, was Einkommen, Eigentum, Verkauf und Export, Arbeitszeit und Bildung betrifft. 

 Grundsätzlich kann dieses Missverhältnis wenig überraschen, ist aber trotzdem sehr zu bedauern, haben doch Studien vor Jahren schon aufgezeigt, welch enormes Veränderungspotential die Schließung diese Pay-Gap zur Folge hätte: Die Bildung, die Ernährung und die Gesundheit im Allgemeinen verbessert sich nachgewiesenermaßen, da Frauen einen Großteil ihres Einkommens in die Familie reinvestieren, was sich wiederum makroskopisch auf ihre Community auswirken kann. Des Weiteren zeigt sich immer wieder, dass sich, sofern Frauen die gleichen Ressourcen zur Verfügung stehen wie (ihren) Männern, die Qualität des Kaffees um bis zu 20-30% erhöht. Es liegt also durchaus auch im volkswirtschaftlichen Interesse, die Chancengleichheit aller Geschlechter entlang der Produktionskette von Kaffee herzustellen und nachhaltig zu gestalten.



Costa Rica


     Werfen wir einen Blick nach Costa Rica: ein Land, das sich in den letzten Jahren zunehmend um Gleichberechtigung bemüht hat. Dennoch gibt es auch dort, gerade im Bereich der Landwirtschaft, im Kaffeeanbau im Speziellen, für Frauen noch deutlich mehr Hürden zu überwinden um erfolgreich zu sein: Da wäre zum einen die Versorgung von Kindern und die Haushaltsführung, was die zur Verfügung stehende Arbeitszeit von Frauen immens beeinflusst und zum anderen sorgen verfestigte patriarchale Strukturen dafür, dass Frauen selbst kaum Land besitzen. Entweder da dies auf den Namen ihres Ehemannes eingetragen ist, nur an männliche Nachkommen vererbt wird, oder der Zugang zu entsprechenden finanziellen Ressourcen nicht gegeben ist. Eine unleugbar positive Tendenz ist in den letzten Jahren im Bereich der Bildung jener Frauen zu vermerken. Immer mehr von ihnen nehmen Bildungsangebote in Anspruch und geben ihr erworbenes Wissen an Kolleg:innen weiter. Auch verbessert sich die Teilhabe von Frauen an wirtschaftsstrategischen Entscheidungsprozessen, sowie deren Anteil in Führungspositionen, was langsam aber sicher dazu führt, dass sich die bestehenden patriarchalen Strukturen nachhaltig verändern.


Bean Voyage


     Eine Non-Profit-Organisation, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, Frauen entlang der Produktionskette von Kaffee zu fördern und zu begleiten, ist Bean Voyage. 2016 starteten sie ihr Pilotprojekt mit zwei Kaffeefarmer:innen, 2020-2021 sind schon 540 Frauen aus Costa Rica und Mexiko Teil des Projektes. Der Fokus dieses „Care-Trade-Modells“ liegt in der Schaffung von Chancengleichheit und Förderung der Unabhängigkeit von Frauen durch Bildungsangebote, Unterstützung in der Finanzierung und Hilfe beim Handel und Export mit dem von den Frauen eigenverantwortlich produzierten Kaffee.

Damit solche Projekte (CoopeAgri und ASOMOBI sind weitere Organisationen, die in Costa Rica ähnliche Programme anbieten) nachhaltig Wirkung zeigen, ist es wichtig zu verstehen, dass es vor allem darum gehen muss, die bestehenden patriarchalen Machtstrukturen zu durchbrechen. Um dies verwirklichen zu können, gilt es zunächst, Achtsamkeit und ein Bewusstsein diesen Strukturen gegenüber zu etablieren und alternative Lebens- und Organisationsformen aufzuzeigen. Der nächste Schritt ist, das Selbstbewusstsein der Frauen und ihren Glauben an die eigenen Fähigkeiten zu stärken, sie miteinander zu vernetzen und in den Austausch zu bringen. Wird diese kollektive Ermächtigung langfristig kultiviert, können neue Strukturen geschaffen werden, die die Chancengleichheit aller Beteiligten erhöhen.



Donna Leticia arbeitet schon ihr ganzes Leben lang im Kaffeeanbau. Sie besaß ein eigenes Stück Land, das allerdings in Folge ihrer Heirat an ihren Mann überschrieben wurde.




Spendenkaffee


     Neues Schwarz arbeitet mit einigen Frauen entlang der Produktionskette zusammen, deren Arbeit wir im Rahmen des Weltfrauentages beleuchtet haben und unterstützt seit nunmehr zwei Jahren im Rahmen einer Kooperation Bean Voyage und deren Care-Trade-Projekt. So setzt sich Neues Schwarz nicht nur dafür ein, intergeschlechtliche Chancengleichheit in der Kaffeebranche voranzutreiben, sondern erhält auch noch qualitativ hochwertigen Kaffee für seine Regale. Dieses Jahr beispielsweise die neue Ernte von Donna Leticia, deren Kaffee wie letztes Jahr auch mit einer Spendenaktion verbunden ist. Ein guter Zweck, der schmeckt! Donna Leticia arbeitet schon ihr ganzes Leben lang im Kaffeeanbau. Sie besaß ein eigenes Stück Land, das allerdings in Folge ihrer Heirat an ihren Mann überschrieben wurde. Durch ihre Zusammenarbeit mit Bean Voyage, war es ihr möglich, diese Eintragung anzufechten, so dass sie heute gemeinsam mit ihrem Ehemann in der Besitzurkunde genannt wird. Damit gilt Donna Leticia heute offiziell als eigenständige Kaffeeproduzentin und konnte ihren Kaffee auf dem europäischen Markt etablieren. Sie gehört auch zu den Frauen, die ihr Wissen und ihre Erfahrung, welche sie im Care-Trade-Projekt gesammelt hat, an andere Frauen weitergibt und sich für deren Unabhängigkeit einsetzt. 

Abschließend sei noch angemerkt, dass auch wir als Konsument:innen dazu beitragen können, bestehende Machtstrukturen und Ungerechtigkeiten zu durchbrechen. Gerade direkt gehandelter Kaffee bietet die nötige Transparenz entlang seiner Schöpfungskette. So ist immer nachzuvollziehen, von wem genau und unter welchen Arbeitsbedingungen der Kaffee wo produziert wird,,sodass die eigene Kaufentscheidung dazu führen kann, dass endlich mehr von Frauen geführte Farmen oder Kooperativen ihren wohlverdienten Platz auf dem hart umkämpften Kaffeemarkt bekommen. 

Text: Gilia Busse 

Quellen: https://www.beanvoyage.org/caretrade, http://www.ico.org/documents/cy2017-18/icc-122-11e-gender-equality.pdf, https://scholarworks.umt.edu/cgi/viewcontent.cgi?article=12151&context=etd 

*Das im Text verwendete Wort „Frauen“ steht stellvertretend für FLINTA*

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