
Wie muss man sich deine Finca vorstellen, Bernard?
Sie liegt in Santa Rosa de Copán, im Westen des Landes. Umgeben von Wald und Nationalparks, erstreckt sich die Fläche über 3,5 Hektar, was ungefähr drei großen Wohnblöcken entspricht. Als ich das erste Mal dort war, dachte ich, dieses Land ist wie ein unbeschriebenes Blatt Papier, auf dem alles möglich ist. Es wäre der perfekte Platz für ein Picknick gewesen. Keine Bäume, nur eine Fläche mit Gras. Aber rings herum ein Wald, in dem drei Wasserquellen entspringen. Und dann waren da die Berge. Der Platz hatte alles: Wasser, Schatten, einen nährreichen Boden. Es war perfekt.
Wie hast du die Finca aufgebaut?
Ich habe die Finca 2012 gekauft und ab 2014 zusammen mit der Kooperative Capucas und der NGO KIVA die Wertschöpfungskette und das Konzept erarbeitet. Mir war von Anfang an klar, dass ich nur mit organischem Dünger und natürlichen Methoden arbeiten will. Jetzt ist der Kaffee auch als Organic zertifiziert.
Wie betreibt man biologischen Kaffeeanbau?
Wir nehmen beispielsweise Bodenproben und richten unsere Arbeit nach dem aus, was die Natur uns schon gibt. Die Proben haben wir auf den pH-Wert und vorhandene Elemente wie Magnesium oder Kalzium untersucht. Das bedeutet, wir haben geschaut, wie sauer oder basisch der Boden ist und ob die Pflanzen genügend Nährstoffe haben. Wenn nicht, haben wir nur noch das Fehlende mit Dünger ergänzt. Der Schlüssel liegt darin, den Pflanzen die richtigen Bodenbedingungen zu bieten, damit sie die Nährstoffe aus ihrer Umgebung angemessen aufnehmen können. Die chemischen Verbindungen, die Kohlenstoffe enthalten, bezeichnet man als organische Materie. Wir haben davon 13 Prozent im Boden, was sehr gut ist. Zum Vergleich: Der Boden in Brasilien, wo Kaffee in Monokulturen wächst, hat um die zwei Prozent.
Wie spiegelt sich das in der Ernte wider?
Meine Pflanzen halten schlechten Wetterbedingungen besser stand. Starke Regenfälle setzen mein Land beispielsweise nicht so schnell unter Wasser. Mein Boden ist eher locker, sodass die Wurzeln Platz haben, sich auszubreiten und Wasser bis zu einem gewissen Grad einsickern kann. Sie verlieren bei Trockenheit auch nicht gleich ihre Blätter, sodass sie weiter Chlorophyll produzieren können. Der Stoff ist essentiell für die Blüte und damit die Kaffeekirschen reifen. Meinen 12000 Pflanzen geht es fast allen gut, aber ich muss die aktuelle Ernte verschieben. Normalerweise ernten wir um Weihnachten herum, jetzt machen wir es im Januar, weil das Wetter in den letzten Wochen sehr trocken war und sich die Blüte verschoben hat.

Welchen organischen Dünger benutzt du?
Wir nutzen trockenen und flüssigen Dünger - der eine kommt in die Erde, den anderen sprühen wir auf die Pflanzen. Unsere Basis, um den Dünger herzustellen, ist zum Beispiel Gras. Außerdem sind darin Mikroorganismen enthalten, die die organischen molekularen Strukturen des Grases zersetzen und wir fügen Mineralien hinzu. Um ihn auch in der flüssigen Form zu bekommen, fermentieren wir die organische Materie mit den Mikroorganismen und Mineralien in Wasser. Die Pflanzen nehmen die Nährstoffe daraus auf, um eigene Strukturen zu bilden, die ihnen helfen, zu wachsen und Früchte zu bilden. Außerdem ist der Dünger gut für den Boden und trocknet ihn nicht aus, so wie andere chemische Dünger.
Was gehört für dich noch zu einer biologischen Finca dazu?
Die Mikroorganismen sind essentiell. Wir haben sie vor 10 Jahren im anliegenden Wald gesammelt und füttern sie mit unserem Kompost, um sie zu vermehren. In einem Gramm Waldboden können schon über 100 Millionen Bakterien leben. Außerdem wachsen unsere Pflanzen nicht in einer Monokultur, sondern mit anderen Arten zusammen. Beispielsweise mit der Fabaceae, einer gelb blühenden Hülsenfrucht, die eine wichtige Rolle für die Stickstoffversorgung der Kaffeepflanzen spielt. Und wir haben Honigbienen, die die Pflanzen bestäuben. Durch sie geht die Produktivität rund zehn Prozent in die Höhe. Wir wollen alles in einem Kreislauf behalten. Wir geben auch altes Holz ab, damit die Menschen es als Feuerholz nutzen können. Viele Menschen in Honduras kochen über offenem Feuer.

Hatte die Finca Gaia immer schon so eine biologische Vielfalt?
Ja, wir hatten sogar noch viel mehr Pflanzen und Projekte auf der Farm. Zum Beispiel Zitronengras für Tee, was wir eine Zeit lang verkauft haben. Wir hatten auch verschiedene Sorten von Bananenbäumen und haben Früchte auf dem lokalen Markt verkauft. Ich hatte damals sehr große Ambitionen.
Wieso hast du das alles zurückgebaut?
Zum Teil, weil die Bananenbäume zum Beispiel nicht gut zusammen mit dem Kaffeeanbau funktioniert haben. Das Zitronengras war zwischenzeitlich von einer Krankheit befallen. Stürme haben 24 Schwarzkiefern zerstört. Außerdem war es alles zu viel Arbeit für meine Mitarbeiter:innen auf der Finca. Während der Erntezeit noch so viele Aufgaben nebenbei zu erledigen, ist einfach zu viel. Noch ernten sie alles von Hand. Mir tat es damals weh, zu sehen, dass ich mich und alle anderen so überfordert habe. Also habe ich mich wieder mehr auf Kaffee fokussiert.
Der neue Fokus hat sich scheinbar gelohnt. Man schmeckt es an der Qualität. Wie sieht es mit der Quantität aus?
Pro Ernte exportiere ich rund einen halben Container Spezialitätenkaffee, rund 134 Sack Kaffee. Wir ernten zwei Mal im Jahr und haben verschiedene Varietäten: unter anderem Geisha, Red Bourbon, Red und Yellow Catuai. Einen Teil - ungefähr 15 Säcke - meines Kaffees verkaufe ich auch in Honduras, wenn ich Abnehmer:innen dafür finde. Das ist Kaffee, der mit rund 83 Punkten bewertet wurde. Also nicht meine höchste Qualität, aber immer noch Spezialitätenkaffee. In Zukunft möchte ich mein Netzwerk nutzen, um Freunden aus Honduras zu helfen, ihren Kaffee auch international zu verkaufen. Zusammen können wir sicher einen Container füllen.
Wie hast du dein Netzwerk aufgebaut?
Ich habe immer mit Kaffee-Kooperativen zusammengearbeitet. Anfangs eben mit Capucas, mittlerweile mit der Kooperative Comsa, von der ich auch Mineralien für den Dünger bekomme. Ich brauchte damals auch Leute, die sich mit den landwirtschaftlichen und sozialen Aspekten vor Ort auskannten. Ich komme nicht aus der Branche. Dann bin ich 2019 mit dem Unternehmen Algrano als Vermittler in Kontakt gekommen. Darüber hat sich langsam ein Kundenstamm aufgebaut. Mittlerweile habe ich neun feste Abnehmer. Zusätzlich sind natürlich Events wie das Coffee Festival eine wunderbare Möglichkeit, um mit Röstereien in Kontakt zu kommen.
Aus welcher Branche kommst du eigentlich?
Ich habe fast 25 Jahre lang in der ethischen Finanzberatung gearbeitet. Ich war in Barcelona und Brüssel und habe mich immer dafür eingesetzt, dass Kaffeefarmer:innen und landwirtschaftlichen Betriebe aus dem globalen Süden genügend Geld geboten wird.
Irgendwann wollte ich nicht mehr beraten, sondern etwas eigenes machen.


Welche Menschen haben dir auf dem Weg geholfen?
Definitiv Omar Rodriguez Romero. Er ist der Manager der Capucas Kooperative. Ich habe damals schon mit ihm zusammengearbeitet. Er war dabei, als ich die Finca Gaia zum ersten Mal gesehen habe und mir die Idee in den Kopf gesetzt hatte, das Land zu kaufen. Außerdem habe ich in Honduras auch meine Frau kennengelernt. Omar hat sich gefreut. Er hat immer Witze darüber gemacht, dass er sich eine Frau aus Honduras für mich wünscht.
Das klingt sehr schön. Bist du stolz auf die Finca Gaia?
Ja, sehr. Es war so ein langer Weg und ich habe dabei viel gelernt. Ich freue mich riesig, dass schwierige und hochwertige Varietäten wie der Geisha auf der Finca Gaia wächst. Ich freue mich auch, dass ich immer dran geblieben bin und meine Pflanzen so widerstandsfähig sind. Wir sind auch in der Lage, unseren Mitarbeitenden Schulgeld für ihre Kinder zu zahlen und ihnen ebenfalls eine gute Bezahlung zu bieten.
Mit all der Erfahrung, die du mittlerweile hast: Glaubst du, Organic Farming ist die Zukunft?
Wenn ich sehe, wie die Börsenpreise explodieren, weil der Ernteertrag in Brasilien so schlecht ist, glaube ich schon. Die Trockenheit macht den Plantagen zu schaffen. Das Wetter wird mit dem Voranschreiten des Klimawandels immer wieder verrückt spielen. Auch mein Nachbar hat die Hälfte seines Ernteertrags im letzten Zyklus verloren, weil die Blätter seiner Pflanzen abgefallen sind. Ich analysiere die Bedingungen und schaue genau, was den Pflanzen fehlt. Das kostet mich Zeit, aber mein Ertrag ist viel besser. Der organische Dünger ist eigentlich auch günstiger und lässt sich in Teilen selbst herstellen. In der Menge brauche ich allerdings mehr, als von synthetischem Dünger. Es gleicht sich also eigentlich aus. Ich mache nur weniger Verluste bei der Ernte.
Woran möchtest du in Zukunft arbeiten?
Momentan arbeiten fünf Menschen fest für mich auf der Finca und während der Erntezeit brauche ich dort mehr Leute. Die größte Anzahl, die ich mal bekommen habe, waren 13 Leute. Aber es wird schwieriger Menschen dafür einzustellen. Viele wollen diese Arbeit nicht mehr machen. Und wenn es niemanden mehr gibt, der die Arbeit machen möchte, ist eine Maschine besser als nichts. Ich beschäftige mich also gerade damit, die Ernte zu technologisieren. Ansonsten wünsche ich mir natürlich, dass die Erträge weiterhin gut bleiben und sich die Art, wie ich die Finca Gaia betriebe, weiterhin auszahlt.
Das wünschen wir dir auch! Wir freuen uns, Teil davon zu sein und deinen Kaffee bei uns ausschenken zu können!


Interview: Emma Lehmkuhl
Bilder: Bernard Ornilla & Marina Jablunowskij
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Zu Besuch in der Backstube
Wer schon einmal in unseren Läden zu Gast war, kennt den Anblick einer frisch gefüllten Theke und den Geruch von warmen Zimt- und Kardamomknoten, der sich mit dem Aroma unseres frisch gebrühten Kaffee verbindet. Die feinen Backwaren stammen aus unserer hauseigenen Backstube, die etwas versteckt im Union-Gewerbehof liegt. Dort entwickelt, backt und kreiert unser Bäckerinnenteam das jahreszeitlich wechselnde Sortiment. Wir wollen euch mitnehmen und zeigen, wie ein Tag in der Backstube aussieht. Dafür berichtet Nele, die die Backstube leitet, über ihren Arbeitsalltag: Kommt mit und folgt dem Duft von heißen Zimtknoten!